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Es gehörte schon etwas Können dazu, den Kratern und Löchern in der Straße und dem herumliegenden Müll auszuweichen. Mit dem Jeep wäre sie hier nie durch gekommen. Überall lagen aus den Fenstern geworfene Gegenstände herum, Schaufensterscheiben waren geborsten und hier und da loderten kleine Flammen im Unrat. Sie steuerte ihre 96er Yamakutsu sicher durch die rauchverhangene Innenstadt. Kyle hatte ihr dieses Motorrad in hunderten von Bastelstunden zusammengebaut.

Neben den Straßenverhältnissen musste sie nun auch noch auf diese Fremden achten. Vereinzelt sah sie zwischen den Hochhausblöcken in der Ferne die suspekt anmutenden Bio-Drohnen. Sie waren vermutlich auf der Suche nach Überlebenden, denn nun sah Matisha auch helle Laser von ihnen ausgehen. Ihr Puls schnellte nach oben. Fast hätte ein demolierter Kühlschrank auf der Fahrbahn ihre Fahrt vorzeitig beendet, doch mit viel Mühe konnte sie den Lenker drücken, um dem Hindernis auszuweichen. „Bleib ruhig!“ Die Stimme in ihrem Kopf rief zur Besinnung. Wenn Sie jetzt stürzte, würde sie das ESA-Hauptquartier nie erreichen. Wenn überhaupt noch etwas davon übrig war.

 Inzwischen verbreiteten alle Nachrichtensender die unheilvolle Meldung. Die fremden Wesen tauchen aus dem Nichts auf. Und das wortwörtlich. Matisha sah es mit eigenen Augen. Ein Blitz an einer alten, mit Graffitis beschmierten Fabrikwand erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie stoppte und beobachtete, wie sich Innerhalb weniger Sekunden ein ovales, leuchtendes Feld bildete, aus dem sich nun unaufhörlich ein fremdes Wesen nach dem Anderen rematerialisierte. Als der kleine Fabrikvorplatz mit grausam anzuschauenden, bedrohlich wirkenden Monstern gefüllt war, zwang Matisha sich endlich aus ihrer Starre und startete Ihre Maschine neu.

 Vier Stunden später erreichte sie die unversehrt gebliebene Basis. Der Schlagbaum am Eingangstor öffnete sich automatisch. Der Posten brauchte schließlich nur noch zwischen Mensch und Kreatur zu unterscheiden. Erleichtert brachte sie die Maschine neben der Freitreppe zum Haupteingang zum stehen. Ein junger Mann in Uniform kam ihr entgegen und hob lässig die Hand zum Gruß.

 

Niemand wusste, woher sie kamen. Die Atmosphäre ihres Heimatplaneten, falls sie so etwas besaßen, musste einen ähnlichen Sauerstoffgehalt besitzen, wie die Atmosphäre der Erde. Diese Wesen waren bis zu drei Meter groß, hatten eine braunschwarze hornartige Haut und eine furchterregende Öffnung mit spitzen, sensenartigen Zähnen dort, wo man bei einem Menschen den Oberbauch vermuten würde. Köpfe, Augen oder andere Pendants zu Menschen suchte man vergeblich. Sie hatten keine erkennbaren Beine und es war ein Rätsel, wie sie sich mit ihrem plumpen, beulenartigen Unterkörper so schnell vorwärts bewegen konnten.

Jetzt stand sie am Fenster des Labors und hielt Ausschau nach diesen Eindringlingen, welche laut AFN weltweit für Chaos sorgten. Drei Etagen tiefer arbeiteten die Techniker verzweifelt daran, eines der letzten Raumshuttles zum laufen zu bringen. Die Erschütterungen durch Granateneinschläge in der unmittelbaren Umgebung hatten nicht gerade zu dessen eh schon angeschlagenen Funktionalität beigetragen. Die meisten Wissenschaftler standen, zur Untätigkeit verdammt, in den Foyers und Aufenthalträumen herum und warteten auf die erlösende Nachricht, dass der Flug zur Europäischen Raumstation angetreten werden konnte. Die Hoffnung, den Gegner mit eigenen Mitteln schlagen zu können, hatten sie bereits nach den ersten Stunden der Invasion aufgeben müssen.

Sie bemerkte, wie eine Person von hinten an sie heran trat. Mit einem Seitenblick erkannte sie Dr. Baumann und wendete sich ihm zu. Offensichtlich hatte er sie gesucht. Der alte Herr war stets ihr Vorbild gewesen. Sie mochte ihn nicht nur wegen seiner Kompetenz, sondern auch zwischenmenschlich stimmte alles. Sie hatten denselben trockenen, manchmal schon sarkastischen Humor. Er war ihrem Vater sehr ähnlich. Doch nun verhieß sein Blick nichts Gutes. „Wir kommen nicht durch, stimmt`s?“ Er schüttelte den Kopf. „Es sieht nicht so aus. Sie allerdings…“ Sie sah ihn fragend an. Die Lage war wirklich viel zu ernst für solche Scherze. Er reichte ihr, unbemerkt von allen anderen, eine ID-Card, die er bisher verborgen in seiner Hand gehalten hatte. „Nehmen sie die. Fahren sie über Genf nach Meyrin. Der Ausweis wird Ihnen Zugang zum CERN-Stützpunkt verschaffen. Merken Sie sich: Pro Ausweis eine Person! Also lassen sie sich nicht unterwegs ansprechen.“ Die Traurigkeit in seinen Augen ließ sie bis ins Mark erschüttern. „Was soll ich in Meyrin?“ Ihre Stimme war inzwischen leiser geworden. „Und was wollen Sie hier? Die Raumstation kann auch nur eine vorübergehende Lösung sein. Wir müssen so viel wie möglich von uns in Sicherheit bringen. Haben Sie schon mal was vom Sternentor-Projekt gehört?“ Matisha überlegt kurz, ob sie davon wissen durfte und nickte dann. Kyle hatte es ihr im vertrauen verraten. „In Meyrin steht eines der noch zugänglichen Tore. Ihre Einheit ist auch schon dort. Wenn Sie nicht Urlaub gehabt hätten, dann wären Sie so und so schon in diesem Bunker. Ihre Einheit hat die Aufgabe, alternative Orte zu suchen. Und jetzt los, jede Minute die Sie noch zögern, kann Ihnen das Leben kosten.“ Er machte eine Pause und sie sahen sich stumm an. Leise sagte er: „Wenn alles gut geht sehen wir uns in ein paar Wochen wieder.“ Sie wusste, dass er es nur sagte, um sich nicht verabschieden zu müssen. „Natürlich, das werden wir. Danke Doktor – für alles“ Sie nickte flüchtig und wandte sich dann zum gehen. Seinen Blick im Rücken spürend zwang sie sich, nicht zurück zu schauen.

Der Fahrtwind schließlich wischte ihre Tränen fort.